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Status der Nutzung digitaler Identitäten in Italien 2023: Alle Wege führen zur Wallet 

(MAILAND / SENIGALLIA) 15. Dezember 2023 – Im Jahr 2023 hat Italien große Fortschritte in der Nutzung digitaler Identitäten gemacht, wie kürzlich veröffentlichte Daten des Digital Identity Observatory an der School of Management der Polytechnischen Universität Mailand aufzeigen. Die detaillierten Forschungsergebnisse, die auf eingehenden empirischen Untersuchungen und Analysen basieren, wurden am 28. November 2023 auf der Abschlusskonferenz des Digital Identity Observatory präsentiert und werden in diesem Artikel vorgestellt. 

Namirial unterstützt die Arbeit des interdisziplinären Think Tanks von Professoren, Forschern und Analysten, in dem zentrale Fragen der digitalen Innovation behandelt werden. Das unabhängige Forschungsprojekt zu digitalen Identitäten wurde initiiert, um das Verständnis für das Potenzial digitaler Systeme zur Identifizierung und Authentifizierung zu erweitern. Experten von Namirial bringen ihr Fachwissen in dieses Forschungsprojekt seit dessen Start Anfang 2020 mit ein.  

Auf europäischer Ebene bestätigt sich der Trend, der sich bereits im letzten Jahr abzeichnete. Die Verbreitungsraten von Identifizierungsverfahren, die nicht auf Smartcards basieren, bleiben in den Ländern stabil, die bereits beträchtliche Prozentsätze erreicht hatten und in den Ländern, die von niedrigeren Verbreitungsraten ausgingen, nehmen deutlicher zu. 

Unter den Ländern der ersten Gruppe bestätigt Norwegen das dritte Jahr in Folge eine Rate von 79%, Schweden steigt auf 81% (+3% gegenüber 2022), während die Niederlande auf 87% zurückgehen (ihr DigId digitales Identitätssystem verzeichnet einen Rückgang von -8% gegenüber der Rekordrate von 95% im Jahr 2022).  

Italien verzeichnet eine Nutzerrate von 61% (+7% im Vergleich zu 2022) und schließt damit zu Frankreich auf (wo das France Connect System nur um 1% im Vergleich zu 60% im Jahr 2022 wächst) und überholt Belgien, dessen itsme System um 2% im Vergleich zu 2022 wächst und bei 58% stehen bleibt. Die Durchdringungsrate des tschechischen digitalen Identitätssystems mojeID liegt weiterhin bei 9 %. Interessante Wachstumsraten sind in Portugal (54% Verbreitungsgrad, +12% gegenüber 2022), in der Schweiz (39%, +16%) und in Österreich (34%, +12%) zu verzeichnen. Allerdings fehlen die Daten für Österreich im Jahr 2023 – das liegt mutmaßlich am Übergang von der HandySignatur auf ID Austria, der seit dem 5. Dezember offiziell ist. Nach Recherchen von Namirial haben sich derzeit 1,6 Millionen Nutzerinnen und Nutzer für die ID Austria angemeldet. Eine Identifizierung ist damit ganz einfach per Smartphone möglich. Auch der Führerschein muss von Österreicherinnen und Österreichern nicht mehr physisch mitgetragen werden, sondern kann ganz einfach in der ID Austria gespeichert werden. Neben diesen Funktionen können auch Behördengänge komplett online erledigt werden.

 

Nach wie vor kämpft die elektronische Identität auf dem deutschen Personalausweis mit Akzeptanzproblemen. Im Vergleich zu 2022 findet sich im eGovernment Monitor der Initiative D 21 nur eine Steigerung in 4 Prozentpunkten von zehn auf 14 % in der Nutzung der elektronischen Identität auf dem Personalausweis. Selbst in den digital sehr affinen Bevölkerungsgruppen sind die Nutzerinnen und Nutzer in der Minderheit: In der Generation Z liegt der Anteil bei 28 %, in der Generation Y bei 16 %. 

Die beiden ältesten Generationen nutzen die Online-Ausweisfunktion in Deutschland so gut wie gar nicht (Nachkriegsgeneration: 8%, Generation bis 1945: 1%) 

Dabei kennt die Mehrheit der deutschen Bürgerinnen und Bürger (62%) den Online-Ausweis: Jede vierte Person traut sich zu, zu erklären, was der Online-Ausweis ist. 

Weitere 37% in Deutschland geben an, zumindest in etwa zu wissen, was es damit auf sich hat. Damit ist eine wichtige Grundvoraussetzung für die Nutzung, nämlich die Bekanntheit, erfüllt. Die erste Hürde auf dem Weg zur Nutzung des Online-Ausweises ist allerdings, dass die Online-Funktion einsatzbereit sein muss: Heute wird jeder Personalausweis mit aktivierter Online-Ausweisfunktion ausgeliefert, die aber erst durch die Eingabe einer PIN einsatzbereit wird. Das haben 30% der deutschen Bevölkerung getan und haben damit einen einsatzbereiten Online-Ausweis. Jeder Zweite hat diesen Schritt hingegen nicht vollzogen, weitere 21% geben an, den Status ihres Ausweises nicht zu kennen. 

Die Erfolge Italiens in der Nutzung elektronischer Identitäten beruhen in erster Linie auf dem  Öffentlichen System für Digitale Identitäten (Sistema Pubblico di Identità Digitale, SPID). Dieses nationale System ermöglicht Bürgerinnen und Bürgern, Personen mit dauerhafter Aufenthaltsgenehmigung und Unternehmen den Online-Zugang zu Diensten der öffentlichen Verwaltung. 

  

  

Die nachfolgenden Daten wurden vom Digital Identity Observatory auf einer Konferenz an der Polytechnischen Universität Mailand am 28. November 2023 vorgestellt, ergänzt um einige weitere, erst kürzlich veröffentlichte Daten. 

 

Nutzung des Öffentlichen Systems für digitalen Identitäten in Italien: SPID und CIE 

Das öffentliche digitale Identitätssystem SPID ist das bei weitem am schnellsten wachsende System für digitale Identitäten in Italien mit mehr Nutzern als das System für die elektronische Identifizierung auf der Grundlage des nationalen Personalausweises (Carta d’Identità elettronica, CIE). 

Im Jahr 2023 musste Italien wichtige Entscheidungen treffen, als es darum ging, dass SPID und CIE koexistieren können. Trotz der Erneuerung der Vereinbarungen mit den Anbietern von Identitäten für das SPID-System im Mai 2023, die für die nächsten zwei Jahre gelten, ist es nun klar, dass die Strategie der aktuellen Regierung darin besteht, diese beiden Systeme zu zusammenzuführen. 

  • Mittlerweile haben rund 36,4 Millionen volljährige Bürgerinnen und Bürger in Italien SPID verwendet – das entspricht 73% der italienischen Bevölkerung. Bei den unter 18-Jährigen sind es 0,18%, also circa 13.000. 
  • Wie bei anderen Systemen auf internationaler Ebene scheint auch SPID bei der Zahl der Anwendungen so etwas wie ein Plateau erreicht zu haben, das eine geringere Wachstumsrate als in den letzten Jahren aufweist: Die Zahl der Identitäten stieg von Januar bis November 2023 um 9%, während sie 2022 um 23% gestiegen war. 
  • Die Gesamtzahl der Anmeldungen mit diesem digitalen Identitätssystem scheint stabil zu bleiben und wird im Jahr 2022 bei über 1 Milliarde liegen. Bislang liegt die durchschnittliche jährliche Zahl der Zugriffe eines einzelnen Nutzers im laufenden Jahr bei 25 im Jahr 2022. 
  • Die SPID hat sich inzwischen als Schlüssel für den Zugang zu öffentlichen Diensten etabliert, während die Akzeptanz im privaten Sektor ihr Potenzial nach wie vor nicht komplett ausschöpft.  
  • Auch die Entwicklung des digitalen Peronalausweises (CIE) geht weiter, das sich in den Händen von 39,3 Millionen Bürgerinnen und Bürgern befindet (+23% im Vergleich zu November 2022). Trotz der großen Verbreitung des physischen Dokuments wird die digitale Version des CIE, die durch die CieID-App ermöglicht wird, immer noch viel zu wenig genutzt: Etwa 4 Millionen Nutzende haben dieses Instrument bis jetzt für den Zugang zu Online-Diensten gewählt. 

 

Best Practices von Namirial zur Förderung der Anwendung digitaler Identitäten   

Namirial ist von der Agentur für digitales Italien (AgID) als einer von zehn Anbietern elektronischer Identitäten (eID) für das Öffentliche System für digitale Identitäten SPID akkreditiert. Über dieses System werden „Namirial IDs“ – digitale Identitäten natürlicher und juristischer Personen – ausgestellt und verwaltet. 

Die Identifizierung für die Bereitstellung einer elektronischen Identität kann online oder im physischen Kontakt erfolgen: 

  • basierend auf elektronischem Zertifikat für elektronische Signatur – durch Herunterladen eines Anmeldeformulars, elektronischen Signieren und anschließendem Upload  
  • basierend auf der elektronischen Identität auf dem italienischen Personalausweis (Carta d’Identità Elettronica, CIE) – mit Hilfe eines NFC-fähigen Smartphones und der CIEiD-App 
  • basierend auf einem elektronischen Zertifikat auf der italienischen Gesundheitskarte (Tessera Sanitaria, TS) oder der nationalen Karte für Dienstleistungen (Carta Nazionale dei Servizi, CNS) – durch Einsetzen der Karte in das Lesegerät und Eingabe der PIN 
  • basierend auf einer Identifizierung per Video in Echtzeit mit einem eigens dafür ausgebildeten Spezialisten von Namirial 
  • von Angesicht zu Angesicht durch speziell für die Identifizierung geschulte Mitarbeitenden in den Filialen von Coop und nach nach vorheriger Terminabsprache in den Büros von Namirial in Italien sowie am Hauptsitz von Namirial in Senigallia. 

Namirial unterstützt auch die Professional SPID, eine besondere Form des italienischen Systems der öffentlichen digitalen Identität, die es Angehörigen der Rechtsberufe und Unternehmen ermöglicht, Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung und privater Einrichtungen in Anspruch zu nehmen. 

🔗 Informationen zum Angebot von Namirial für SPID (in italienischer Sprache)  

 
Ein europäisches Ziel: Digital Identity Wallet(s)  

Im Markt für digitale Identitäten wird das im Juni 2021 vorgestellte  Konzept der Europäischen Kommission für einen Rahmen für eine europäische digitale Identität (EUid) weitgehend begrüßt. Mit Hilfe von digitalen Brieftaschen (“ID Wallets”) soll es Benutzerinnen und Benutzern ermöglichen, ihre digitale Identität in einer App auf dem Smartphone zu speichern, um 

  • sich online und offline auszuweisen, 
  • amtliche Informationen wie Vorname, Nachname, Geburtsdatum und Staatsangehörigkeit zu speichern und vorzuweisen, 
  • Informationen aus verlässlichen privaten Quellen zu speichern und weiterzugeben, 
  • anhand der Informationen ein Recht nachzuweisen, z. B. das Recht, sich in einem bestimmten Mitgliedstaat aufzuhalten, zu arbeiten oder zu studieren. 

Ab dem Jahr 2026 sollen die EU-Mitgliedsstaaten verpflichtend eine Brieftasche (Wallet) für digitale Identitäten bereitstellen, in der sie ihre nationale digitale Identität mit dem Nachweis anderer persönlicher Attribute (z.B. Führerschein, Abschlusszeugnisse, Bankkonto, etc.) verknüpfen können. Dies könnte zahlreiche Prozesse vereinfachen. Zur Zeit wird an der Aktualisierung der EU-Verordnung 910/2014 über elektronische Identitäts- und Vertrauensdienste (eIDAS) gearbeitet. Am 8. November 2023 haben das Europäische Parlament und der Europäische Rat eine vorläufige Einigung über die Überarbeitung erzielt. Weiterführende Informationen dazu finden Sie hier: 

Vorläufige Vereinbarung – Offizielles Dokument:   
Europäisches Parlament: Download der vorläufigen Einigung (PDF)     
Pressemitteilungen zur vorläufigen Einigung von    
Europäische Kommission: Kommission begrüßt endgültige Einigung über EUid-Brieftasche    
Rat der Europäischen Union: Europäische digitale Identität: Rat und Parlament erzielen vorläufige Einigung über eID    
Europäisches Parlament: EU-wide digital wallet: MEPs reach deal with Council    
(Meldung in Englisch verfügbar)   

Die Zustimmung aus der Bevölkerung in Italien zeigt sich allerdings noch etwas verhalten. Durchschnittlich weniger als ein Italiener von drei gab bei der Untersuchung an, eine Wallet-App zu verwenden. In diesem Fall also typischerweise eine der Apps, die vom eigenen Smartphone bereits angeboten werden (also Google Wallet oder Apple Wallet). Und obwohl das Potenzial dieser Apps die digitale Identität zunehmend umfangreicher werden lässt, scheinen die verfügbaren Wallets derzeit noch nicht vollständig in die täglichen Gewohnheiten der Nutzerinnen und Nutzer integriert zu sein. Im Vergleich: In Deutschland nutzen deutlich mehr Menschen solche Wallet Apps E (28%) als den Online-Ausweis (14%). Damit ist mehr als jede bzw. jeder Vierte bereit, auch sensible Dokumente auf dem Smartphone zu speichern – meist aus Bequemlichkeit, weil das Smartphone ohnehin immer dabei ist (64%). 2 von 3 Bürgerinnen bzw. Bürgern geben aber auch an, bisher noch kein Wallet auf ihrem Smartphone zu nutzen. Ahnlich wie beim Online-Ausweis ist der häufigste Grund dafür der Mangel an Nutzungsanlässen (38%). Die Daten sind aus der aktuellen Studie eGovernment Monitor 2023 der Initiative D21 und der Technischen Universität München entnommen. 

“Die Digital Wallets in Europa sind ein Ausdruck von Souveränität”, erklärt Giorgia Dragoni, Direktorin des Digital Identity Observatory, in ihrer Präsentation. “Eine digitale europäische Idenität bedeutet, dass die Bürgerinnen und Bürger sich mit Europa identifizieren können. Die Wallets haben also auch einen Identifikationswert. Die Menschen sollen sich über ihr Nationalgefühl hinaus auch als Teil der Europäischen Union fühlen.” Alle Wege führen zur Wallet, aber nicht alle Wege seien gleich, genausowenig wie geradlinig oder selbstverständlich. Am wichtigsten sei es, eine ordentliche Migration durchzuführen, die das, was bereits existiert, einzuschließen und zu respektieren. Ebenso sei es essentiell, im Sinne der Anwenderinnen und Anwendern zu handeln und neue Services für diese möglich zu machen. 

Herausfordernd ist der Weg, der privaten Akteurinnen und Akteuren auf diesem Markt bevorsteht, die, um weiter bestehen zu können, ihre Position gegenüber Nutzerinnen und Nutzern und vor allem ihre Rolle in einem sich wandelnden Ökosystem überdenken müssen, dessen Grenzen noch nicht genau definiert sind.  

Auch der Weg, den die internationalen Konsortien einschlagen müssen, ist klar umrissen: Sie müssen nicht nur Mechanismen für die Zusammenarbeit in den verschiedenen Arbeitsbereichen finden, sondern auch den Prototyp der neuen Wallets in einem noch in allen Einzelheiten festzulegenden rechtlichen Rahmen entwickeln. 

Einige Fragen bleiben aber nach wie vor offen – so zum Beispiel die Frage nach der Verteilung der Kosten. Auch steht die Frage offen, ob es eine einzige staatliche Wallet geben wird oder viele verschiedene, die von verschiedenen privaten Anbietern auf den Markt gebracht werden können.